Ein wunderbarer Tag im Frühling. Endlich war es warm geworden, die Sonne schien, im Radio lief summige Musik und ich sang fleißig mit. Ich war mit meinem schönen Auto unterwegs zum Termin bei meinem Lieblingspodologen. (Ein bisschen Kitsch zu Beginn dieser Geschichte muss sein ; )
Gerade hatte mich meine Mutti angerufen und wir plauderten fröhlich. Das Geräusch welches ich immer lauter vernahm und, dass nicht aufhören wollte, drängte sich in mein Bewusstsein. Irgendwoher kannte ich es - von früher. Ein eintöniges Klackern am Auto. Der Gedanke erschlug mich. "Hatte ich etwa einen Platten? Oh nein, ich hatte einen Platten!" dachte ich, beendete das Gespräch und suchte eine Stelle an der Straßenseite, an der ich mit meinem großen Auto halten konnte. Aber irgendwie war da nichts. Nach einigen Metern klackernder Fahrt kam eine Abzweigung zum Nachbarort. Ich bog ab und blieb mitten auf der Straße stehen. Noch hoffte ich, dass ich mich getäuscht hatte, denn der Bulli lag wie immer still und gemütlich auf der Straße. Während ich ums Auto lief und bangend wieder und wieder sagte "Bitte lass es kein Platten sein!" knallte mir, die Wahrheit, beim Reifen hinten rechts angekommen, ins Gesicht. Es war ein Platten. "Oh nein, ich habe einen Platten!" Völlig überfordert schlug ich die Hände vors Gesicht und dachte das kann nicht wahr sein. Am Auto meines Mannes! Ein Platten! Am Wochenende zuvor waren wir campen gewesen. Gefühlt alles was wir da benötigten befand sich immer noch im Auto, inklusive der scheißschweren Technik für das am Abend geplante Open Air Kino. "Oh Gott, was mach ich jetzt?"
Während meines Gedankenwirrwars waren nur Sekunden vergangen. Ich schaute auf und von rechts kam plötzlich ein Schwarm Jugendlicher auf mich zugehetzt. Meine Verzweiflung ging im Stimmengewirr unter. "Oh, Sie haben einen Platten.", "Ich lauf nach hause und hol nen Wagenheber.", "Ja gut, mach das. Ich hol Werkzeug.", "Was brauchen wir? Nen Sechser oder nen Siemer?", "Haben Sie ein Ersatzrad?", "Wo ist denn Ihr Warndreieck?", "Machen Sie doch mal das Warnblinklicht an!" Mein fragendes Gesicht und völlig überforderter Anblick muss dermaßen dämlich ausgesehen haben. Anscheinend hatten die „Kinder“ meine Situation sofort erkannt, während ich "Erwachsene" mich in einer Schockstarre befand: "Moment, ich muss erstmal meinen Mann anrufen." Der war in einer Veranstaltung und konnte mir leider nicht helfen. Aber er hatte die Idee, dass ich einen Freund anrufe, der kennt sich aus und kann helfen. "Ohja, gute Idee!" sage ich und lege auf. Die Kinder schmunzeln und rödeln weiter. Den Freund am einen, die jungen Menschen im anderen Ohr, versuche ich die vorangehende Bewerkstelligung der Panne durch die Jugendlichen irgendwie zu koordinieren. Während ich meinem Telefonpartner das Problem schildere und er sich schon auf die Socken zu mir machen will zwinkert mir das Mädel der Truppe zu und sagt: "Ach machen Sie sich da mal keine Sorgen, die Jungs machen das schon, die fahren Stockcar." Mit einem überraschten „Achso!?" ändert sich durch diese Information die gesamte Situation. In meinem Kopf rattert es. Stockcar? Was war denn das nochmal? War das nicht, wo die auf so einer Schlammstrecke immer kräftig die Autos um die Wette kaputt fahren? Ja super, wenn einer weiß, wie man Autos wieder ganz macht, dann wohl diese kleinen flinken Helfer. Mein Mithörer am Telefon ist begeistert und sagt: „Ja klar in Grimmen, da sind doch immer Stockcar-Rennen, dann bist du ja gut aufgehoben, wenn noch was ist dann melde dich.“ Ich denke: „Wunderbar, die werden das schon machen!“
Die Kinder racken voller Inbrunst am Auto rum. Ich schaue auf die Uhr. Mist, mein Termin, den kann ich mir jetzt wohl in die Haare schmieren, oder besser, an die Füße kleben. Schnell versuche ich nochmal meinen Podologen zu erreichen. Er ist ganz entspannt und bietet mir am nächsten Vormittag einen Termin an. Wow, so schnell hat das noch nie geklappt!
Inzwischen hat die flinke Truppe mit ordentlich Muskelkraft die rostigen Schrauben lösen können und den platten Reifen vom Auto abmontiert. Bleibt nur noch zu hoffen, dass das Ersatzrad auch einsetzbar ist, denn das hängt wohl schon seit zehn Jahren unterm Auto und ist noch nie gebraucht worden. Während die eine Truppe den kaputten Reifen nach der Ursache des Plattens inspiziert, ist einer der großen Jungs unter den hinteren Teil des Autos gekrabbelt, liegt auf dem Rücken und rackt das Ersatzrad ab. Der Bulli bewegt sich und ich bekomme Panik. Oh Gott, wenn der schwere Bulli auf das Kind heruntersaust, nicht auszudenken, der Schaden am Kind, der Schaden am Auto. Zermatscht sehe ich ihn in Gedanken schon da liegen. Schnell lege ich unter die rechte Seite des Autos den kaputten Reifen, damit er das Runtersacken des Bullis abfängt. Das Übel des Plattens war wohl ein ziemlich spitzer Stein, jedenfalls haben die Kinder sowas aus dem Reifen gepult und halten es mir unter die Nase.
Die Halterung des Ersatzreifens abzumontieren, dauert eine gefühlte und durchschwitzte Ewigkeit. Der junge Schrauber unter dem Wagen und ich Angst und Bange, dass dieses ganze Konstrukt von rostigen Schrauben und Rädern, wackeligen Wagenhebern und rackenden Halbstarken zusammenfällt. Was für eine Riesendummheit erst den platten Reifen abzuschrauben und dann den Ersatzreifen unter dem Auto hervorzuholen. Einer der Kinder läuft nochmal los und holt eine Zange, denn der Ersatzreifen hält sich hartnäckig samt seiner Befestigung am Auto. Da, endlich die ganze Befestigung mit dem Ersatzreifen löst sich und der Reifen wird unter dem Auto hervor gehievt. Man bin ich froh, dass keiner mehr unter dem Auto herumfuhrwerkt. Nun muss der Bulli allerdings noch ein ganzes Stück höher gebockt werden, als die bisherige Höhe, gemessen am platten Reifen. Wieder fangen sie an zu racken, doch der Wagenheber, den die Kinder mitgebracht haben will nicht mehr. Er hat Rollen und Probleme mit der Last und der Höhe. Hitzig fange ich an den Wagenheber, der sich im Auto befindet herauszukramen. „Ach Sie haben auch einen.“ sagen die Kinder und sind erstaunt. „Ja.“ sage ich „aber ihr wart ja vorhin schneller ;)“ Leider ist der blöde Wagenheber so verkeilt, dass ich ihn nicht rausbekomme. Der Bulli fängt an sich auf dem anderen Wagenheber zu drehen. Wieder bekomme ich Panik. Ich versuche das Auto festzuhalten. Im nächsten Moment komme ich mir dann doch ziemlich doof vor. Was bilde ich mir eigentlich ein, solch ein 2,5 Tonnen Fahrzeug festhalten zu können. Bin ich Hulk oder was?
Doch die Kinder helfen. Sie bekommen den Wagenheber rausgepuhlt und schneller als ich gucken kann ist der Bulli sicher aufgebockt. Das Ersatzrad ist zügig montiert und der platte Reifen im Auto verstaut - so viel Platz war dann doch noch. Die Befestigung wird wieder unters Auto geschraubt - nun kann ja nichts mehr passieren - und der Ersatzreifen scheint trotz kleiner Risse fahrtauglich. Sogar der Luftdruck schaut gut aus, wie wir feststellen, als der Bulli endlich wieder auf seinen vier Rädern steht. Nachdem auch das Werkzeug verstaut ist, bin ich unsagbar erleichtert und dankbar. Die Hilfe war doch nun echt schon fast vorher da, noch bevor ich das Problem erkannte. Ich sage der Truppe wie dankbar ich ihnen bin und, dass sie meine Helden des Tages seien. Sie nehmen’s gelassen. Leider habe ich nur 20 Euro Bargeld dabei, doch die verteile ich an die flinken Helfer. Sie freuen sich und ich als Erwachsene maße mir mit erhobenem Zeigefinger an, ihnen noch zu sagen: „Aber keine Drogen kaufen!“. Irritiert schauen mich die Jungs und das Mädel an, schütteln den Kopf, sagen: „Nee!“ laufen grinsend davon und sind so schnell weg wie sie vorher da waren..