Zum Niederknien

Zum Nähen kam ich eher später!
Übervorsichtig würde ich meine Mama in Bezug auf ihre neue, sauschwere Victoria bezeichnen. Es ist 1990 und die erste elektrische Nähmaschine in unserem Haushalt. Das gute Stück scheint ein einziger gußeiserner Brocken zu sein. Allerdings mit technischer Raffinesse, über die sich bald die ganze Familie freuen darf, denn Mama näht fleißig - alles worauf sie Lust hat und natürlich auch, was repariert werden muss. Papa muss immer ran und ihr das schwere Ding aus der Kammer auf den stabilen Wohnzimmertisch wuchten. Mit der Ruhe ist es dann meist schnell vorbei, denn das schwere Ding macht Krach! Noch zu meiner Einschulung hatte meine Mama ein Kleid mit der Hand genäht. Extra für mich. Mit viel Liebe und vielen Stunden Nadelarbeit. Nur ich darf leider nicht an die Maschine, denn sie könnte ja kaputt gehen. Also bleibt das Nähen mit der Nähmaschine für mich ein Mysterium mit kleinen Berührungsängsten.

Viele Jahre später - also nun so ziemlich genau vor zwei Jahren, bin ich dann mächtig gespannt auf meinen ersten Nähkurs. Eine Freundin hat mich gefragt, ob ich mit zum Nähkurs in die Kabutze nach Greifswald komme: "Los, lass uns ein Patchworkkissen nähen!" Und so fing es an. Meine großen Berührungsängste, die sich über die Jahre hinweg aufgebaut hatten, machten das einfache Loslegen mit solch einer Machine etwas schwierig. Ich erklärte der Kursleiterin meine Bedenken. Doch sie fegte sie mit ihrer ruhigen Art geschmeidig weg. Sie erklärte mir eloquent die Maschine und auch alle anderen Teilnehmerinnen waren freundlich dabei mir den unbeschwerten Umgang mit der Nähmaschine nahe zu legen. Völlig begeistert saß ich an meiner, mir für den Nähkurs zugeteilten, alten Husqvarna und mein Patchwork nahm Gestalt an. Stück für Stück kamen die Teile zusammen. An das Vor und Zurück am Anfang der Naht musste ich noch angestrengt denken, doch es ging mir zunehmend leichter von der Hand.

Inzwischen freue ich mich am Meisten, wenn ich an meiner Maschine sitze und es rattert leise. Zum Nähen gehört dann doch noch ein bisschen mehr, als einfach auf’s Fußpedal zu treten. So lange wollte ich nähen lernen und was hat es mir gebracht? Bügeln und Mathe! Zwei Dinge, die ich immer gerne außen vor gelassen habe. Aber Übung macht ja bekanntlich die Meisterin und wenn ich ganz genau gearbeitet habe, was bei Baumwollstoff unbedingt notwendig ist, freue ich mich nachher ganz unanständig, wie perfekt alles zusammen passt!

Muttis Victoria hat sie mir nach 25 Jahren geschenkt - nun hat sie keine Angst mehr, dass ich sie kaputt mache. Die gute alte Dame hatte mir dann aber schnell zu wenig Stiche und es musste etwas neueres her.

Zur Zeit nähe ich am liebsten meine großen Sitzkissen. Es ist so schön, wenn da wieder eins fertig geworden ist. Und mit der großen Auswahl an Stoffen, die ich am liebsten bei ebay einkaufe, tanzt die Idee von der Auktion zum Zuschnitt, zum Bügeleisen, zur Nähmaschine und schließlich unter Kinder- und Erwachsenenpopos :)